Gendersensible Sprache: Warum ich nicht gendere

Von 
Björn Beier
 · Hochgeladen am 
Jun 6, 2023
 · Letztes Update am 

Ich gebe zu: Dieser Artikel hat ausnahmsweise nichts mit Wirtschaft und Finanzen zu tun. Da ich nun aber schon mehrmals darauf angesprochen wurde, warum ich in meinen Beiträgen keine “gendersensible Sprache” verwende und auch in Social Media kein Tag ohne eine Genderdiskussion vergeht, wollte ich hier mal meinen Standpunkt darlegen. Viel Spaß.

Durch das generische Maskulinum fühlen sich einige sprachlich ausgegrenzt. Manche sagen “Sprache schafft Wirklichkeit”, andere sagen, dass dem ein zu großer Wert beigemessen wird. Sprache sollte nicht verkompliziert werden, sondern praktisch und effizient sein. Gegen ein kurzes “Bürgerinnen und Bürger” bei einer ersten Anrede ist nichts einzuwenden, aber kommt die Phrase mehrfach vor, werden die Sätze länger und unverständlicher, wodurch die Botschaft des Gesamten untergeht. Wiederholtes Gendern stört den Lesefluss und lenkt vom Inhalt ab.

Aber wie gendert man überhaupt? Hier gibt es keine einheitlichen Regeln, was die Situation zusätzlich erschwert. Es gibt das Gendersternchen, den Doppelpunkt, den Unterstrich, den Schrägstrich, das Binnen-I, die Paarverwendung, substantivierte Partizipien und geschlechtsneutrale Formulierungen.

Das Gendersternchen wirkt dabei wir ein sprachlicher Stolperstein. Es führt zu obskuren Formen wie “Bürger*innenmeister*innen, Führer*innenschein, Nachbar*innenschaft, Fußgänger*innenweg, Kund*innenservice oder Schüler*innensprecher*innenvertreter*innen. Die Sprechhause hören sich dabei wie Schluckauf an.

Der Glottisschlag ist in der normalen Sprache kaum merkbar. Er ist gerade so dezent, dass man zwischen “vereisen” und “verreisen” akustisch unterscheiden kann. Dagegen werden Sonderzeichen stets überbetont - mit einer längeren Pause - was sehr unnatürlich klingt. Die Mehrheit wird sich an diese holprig und unelegant klingenden Sprechpausen nicht gewöhnen.

Das Problem mit dem Gendersternchen beschränkt sich nicht nur auf Substantive. Artikel, Adjektive und Pronomen werden auch mitgegendert. „Ich will eine*n nette*n Freund*in“ funktioniert in der Schriftsprache nicht vernünftig, geschweige denn in der gesprochenen Sprache.

Es ist teils nicht mit der deutschen Grammatik kompatibel, z.B. kann der Dativ bei "Sie gab den Reporter*innen recht" nicht gebildet werden. Normalerweise heißt es "Sie gab den ReporterN recht" , aber beim Gendern wird das „n“ weggelassen. Auch beim Genitiv stößt man bei “Die Meinung des*der Autor*in” an seine Grenzen, weil das “s” bei "des AutorS" weggelassen wird. Es führt auch zu Problemfällen, wie z.B. bei Ärzt*innen, Kund*innen und Kolleg*innen. Was sind „Ärzt“, „Kund“ und „Kolleg“?

Werden wir Sprichwörter wie „Der Kunde ist König”, „Übung macht den Meister” und „Der Klügere gibt nach” durch „Der/Die Kunde/in ist König/in“, „Übung macht den/die Meister/in" und „Der/Die Klügere gibt nach“ ersetzen?

Einige geschlechtsneutrale Formulierungen können sich im Laufe der Zeit durchsetzen, wie z.B. „Pflegekraft“ statt „Krankenschwester/Pfleger“, „Redepult“ statt „Rednerpult“, aber andere wiederum nicht, wie z.B. „Flaniermeile“ statt „Fußgängerzone“ oder „Fahrzeugführende“ statt „Fahrer“.

Substantivierte Partizipien funktionieren nicht immer, weil die Form nur den augenblicklichen Zustand beschreibt und keine generelle Tatsache. „Studierende“ sind ausschließlich Menschen, die gerade in diesem Augenblick aktiv studieren. Studenten hingegen können auch Menschen in den Semesterferien sein, die gerade überhaupt nicht studieren. Zur Gruppe der „Lernenden” gehören nur diejenigen, die just in diesem Moment beispielsweise vor einem Buch sitzen und lernen. Die Frau, die auf dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnimmt, kann man als „Radfahrende“ beschreiben, allerdings nur bis sie zur „An-der-Ampel-Stehenden" wird.

Einige Menschen versuchen sogar, „man" in „mensch“ umzuwandeln, weil es nach „Mann“ klingt. Statt „jemand“ sagen sie „jemensch“. Genauso absurd wäre es, das Siezen abzuschaffen, weil die Höflichkeitsform „Sie" weiblich klingt.

Der Esel“, „Das Pferd“, „Die Giraffe“ - die deutsche Sprache ist wirklich wundervoll. Ist der Esel aber nun männlich, das Pferd neutral und die Giraffe weiblich.. oder lässt die Sprache hier gar keine Einordnung zu?

Wenn das generische Maskulinum unser Denken so stark prägt, warum ist die Verteilung der Berufe in Ländern mit genuslosen Sprachen ähnlich wie in Deutschland?

Die Sprachen in den Ländern Georgien, Armenien und der Türkei besitzen kein grammatisches Geschlecht. Dort geht es aber nicht gleichberechtigter zu als bei uns. Es hat keinen nennenswerten Effekt und ändert nichts an den realen Umständen. Respekt und Anerkennung lassen sich nicht über Sternchen und Striche bewerkstelligen. Wer glaubt, man könne das mit einer Wortendung herstellen, betreibt nur Kosmetik.

Häufig werden Studien genannt, die aufzeigen, dass Berufe im generischen Maskulinum formuliert eher mit Männern assoziiert werden. Es stimmt, dass man bei Handwerker, Elektroniker, Berufskraftfahrer und Klempner eher an Männer denkt, aber genauso denkt man bei Kindergärtnern, Kosmetikern, Floristen und Friseuren eher an Frauen. Und beim Barbier dann doch wieder an einen Mann.

Im Englischen denken die meisten Menschen bei dem Wort „engineers" auch erst an männliche Ingenieure, weil der Großteil der Ingenieure männlich ist, obwohl das Wort geschlechtsneutral ist. Das greift nicht nur bei Geschlechtern. Bei "Hochschullehrer" dürften die meisten Menschen eher ältere Personen im Kopf haben und bei "Straßenkünstler" eher jüngere Personen.

Waren in unserem Kindergarten nur Frauen als Erzieher tätig, so stellen wir uns, darunter aller Voraussicht und der Kognitionspsychologie nach primär Frauen vor. Waren wir jedoch selbst in einem Kindergarten, in dem sowohl Frauen als auch Männer die Rolle des Erziehers übernommen haben, so koexistieren beide Geschlechter in unserer mentalen Repräsentation der Kategorie.

Dass wir bestimmte Berufsgruppen eher mit Männern und bestimmte Berufsgruppen eher mit Frauen verbinden, obwohl in beiden Fällen das generische Maskulinum verwendet wird, zeigt Folgendes auf: Es ist nicht die Sprache, die unser Denken maßgeblich beeinflusst, sondern unsere Erfahrungen und die in unserer Lebenswirklichkeit vorherrschenden realen Beispiele.

In erster Linie schafft Wirklichkeit die Sprache. Ob wir bei Berufen eher Männer oder eher Frauen denken, hängt davon ab, wie viele Frauen und Männer diesem Berufsstand angehören. Und wenn doch Mädchen durch das generische Maskulinum immer eingebläut wurde, dass sie kein Arzt werden können, warum sind dann heute > 60 Prozent der Medizinstudenten Frauen? 70 Prozent der Apotheker sind weiblich, obwohl einem gesagt wird, dass man bei Risiken und Nebenwirkungen den Arzt oder Apotheker fragen soll.

Bei Lehrer, Politiker, Schauspieler, Musiker und Journalisten hat man hingegen eine geschlechtergemischte Gruppe im Kopf. Das Gleiche gilt auch für „Das Konzert hatte 5.000 Zuschauer”, „Deutschland hat 83 Millionen Einwohner”, „WhatsApp hat zwei Milliarden Nutzer“ und „Alle Teilnehmer der Konferenz hörten aufmerksam zu”. Ein weiteres Beispiel aus der Lebenspraxis: Wenn am Campus ein Schild mit dem Aufdruck "Heute Abend veranstalten wir eine Studentenparty” steht, denkt keiner, dass das eine reine Männerparty ist.

Mir ist auch aufgefallen, dass viele Befürworter häufig nur bei positiv bis neutral besetzten Wörtern gendern. Bei Klimaleugner, Querdenker, Impfgegner, Verkehrssünder, Steuerhinterzieher und Reichsbürger wird häufig weiterhin das generische Maskulinum verwendet.

Wer gendern möchte, soll das tun, aber das darf nicht von oben verordnet werden, sondern muss auf natürlichem Weg passieren. Sprache ist immer im Wandel, aber der Wandel sollte von der Gesellschaft ausgehen und nicht von einer oder auch mehreren zentralen Entscheidungsinstanzen. Wer an Universitäten nicht in Hausarbeiten gendert, kann teilweise Punkte abgezogen bekommen. Da kann man schon von Zwang reden. Gendersprache wird also auch von Behörden, Institutionen etc. verordnet. Wehrt man sich dagegen, entstehen einem oft Nachteile.

Wer nicht gendert, wird von Befürwortern häufig als reaktionär oder sogar sexistisch bezeichnet. Laut einer neuesten Umfrage von Infratest dimap lehnen es aber mehr als 65 Prozent der Deutschen ab. Frauen wie Männer. Die Ablehnung ist sogar im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Man gewöhnt sich nicht daran, sondern ist zunehmend davon genervt. Das ist eine akademisch-elitäre Elfenbeinturm-Diskussion, die an der Lebensrealität vieler Menschen vorbeigeht. Gendern ist in journalistischen Kreisen weit geläufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt. Aber selbst da werden Unterschiede gemacht. Während die Tagesschau auf ihren Artikeln im Internet auf "gendersensible" Sprache verzichtet, setzt sie es auf Instagram konsequent um. Naja, fast. Die Soldaten auf der russischen Militärparade am 10.05.2023 bleiben selbstverständlich “Soldaten” und sind keine Soldat:innen. Mit dieser Aussage wäre ich ja vorsichtig gewesen, immerhin gibt es knapp 44.000 Berufssoldatinnen in Russland. Seis drum.

„Wir sprechen auch anders, als es Menschen vor 100 Jahren getan haben“ ist kein Argument dafür, dass jede Form der Veränderung ein Fortschritt ist. Sie kann auch ein Rückschritt sein. Gendern ist keine natürliche Sprachveränderung. Sprachentwicklung wird nicht von oben verordnet, sondern kommt aus der Mitte der Gesellschaft, durch alltäglichen Sprachgebrauch. Eine lautstarke Minderheit von Sprachaktivisten versucht das der Mehrheit aufzudrücken.

Die Änderung von Alt-, zu Mittel- zu Neuhochdeutsch und die vermehrte Verwendung von Anglizismen unterliegen einem natürlichen Sprachwandel. Das ergab sich im Laufe der Zeit. Es setzt sich das durch, was in der Alltagssprache dauerhaft genutzt wird. Meistens entwickelt sich Sprache in eine Richtung, die die Kommunikation vereinfacht. Sprachökonomie ist hierbei ausschlaggebend - also die Bestrebung, sich mit wenig Sprachaufwand kurz, einfach und verständlich auszudrücken. Das Gendern widerspricht dem Prinzip.

Man erschwert es Ausländern die deutsche Sprache zu erlernen. Gegenderte Sprache wird auch umso weniger verstanden, je schwächer der soziale Hintergrund ist. Es ist ebenfalls eine Hürde für Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche, weswegen Macron das schriftliche Gendern an Schulen schon verboten hat. Gendern gibt vor, inklusiv zu sein, aber grenzt andere Bevölkerungsgruppen aus - nicht zuletzt auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, oder Menschen die auf Screenreader angewiesen sind. Oder eben Informatiker, da der Asterik eine Wildcard für beliebig viele Zeichen ist. In der Umsetzung kann der Genderstern deswegen nicht für Emailadressen, Websites oder Dateinamen verwendet werden.

Diese ganze Genderdiskussion ist nicht neu, in den 1970er Jahren übernahmen diverse linke Gruppen die konsequente Kleinschreibung - die Schriftzeichen sollten enthierarchisiert werden. Ein genialer Vorschlag. Die Stupidität dessen wird einem erst dann bewusst, wenn Tierschützer vor dem Bordell stehen um “den armen vögeln” zu helfen.

Gendern ändert nichts an den realen Umständen. Das Gendersternchen weist immer wieder auf Unterschiede hin, statt für die gewollte Gleichberechtigung zu sorgen. Und noch mehr: Es verhärtet sich ein Konflikt, insbesondere auf Social Media, wo es leicht ist jeden mit anderer Meinung als Sexisten, Nazi oder woken Schwachkopf zu diffamieren um diesen dann zu canceln oder auszuschließen. Denn egal ob man das Gendersternchen nutzt oder nicht, man transportiert mittlerweile immer eine politische Botschaft mit, die viele nicht transportieren möchten. Sprache ändert sich und das ist gut. Und dieser natürliche Sprachwandel lässt sich an den Jugendwörtern ablesen. Cringe, lost, sus oder Bro. Ein Sprachwandel, der mit weniger Buchstaben und Worten mehr sagt, genau wie in der Arbeitswelt wo Abkürzungen wie “CEO” (Chief Executive Officer, Geschäftsführer) oder “HR” (Human Resources, Personalabteilung) längst zu unserem Alltag gehören. Kurzum: Das Gegenteil von dem, was das Gendern im Herzen ist und macht. 

Jeder sollte frei entscheiden dürfen, wie er spricht und es kann sein, dass früher oder später neue Standards entstehen. Das ist nicht schlimm, nein, das ist sogar gut. Nur darf diese natürliche Entwicklung nicht von z.B. öffentlich rechtlichen Medien (z.B. Gendern in Medienbeiträgen) oder Bund und Ländern (z.B. Gendern in Gesetzen, Dienstleistungen des Bundes oder Verpflichtung von Schülern) vorweggenommen oder gar angeordnet werden. MIt dieser Meinung über den ÖRR bin ich auch nicht alleine, denn nun kritisieren dies auch Sprachwissenschaftler und andere Personen. Wer sich ebenfalls dagegen ausspricht, findet hier weitere Informationen und kann diese Liste unterschreiben. Wenn du anderer Meinung bist, ist das völlig in Ordnung. Ich verurteile dich nicht dafür und aufzwingen möchte ich dir auch nichts. Und genau diese Einstellung erwarte ich auch von dir.

Cheers

Björn

*Hinweis: Teile dieses Textes wurden vor etwa einem Jahr aus einem YouTube-Kommentar entnommen. Wo dieser YouTube Kommentar abgeblieben ist und wie viel dieses Textes noch dem YouTube Kommentars gleicht, kann ich nicht sagen, da ich den Text im Laufe der Zeit immer wieder verändert habe. Solltest du der Verfasser des Kommentars sein und das hier lesen, melde dich gerne per Email, damit ich dir ausreichende Credits geben kann.

Teile den Artikel mit deinen Freunden
Speichern
Artikel Sharen

Einer meiner 15.731 Leser würde bestimmt sagen, dass das hier der beste deutsche Finanzblog ist.
Gefragt habe ich jedoch niemanden.

Danke dir. Schau in dein Email Postfach.
Oops. Da lief was schief. Probiere nochmal, wenn der Fehler anhält, schicke mir einen Screenshot davon. Danke dir